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André Schenk SBS LEGAL: Abfindungen im Network-Marketing

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Im Network-Marketing (auch Multi Level Marketing genannt) ist es wie in der Liebe – eine Beziehung kann leider immer mal wieder auch enden, wenn die Liebe erlischt oder es sonst besser ist, sich zu trennen. Dabei endet im Network-Marketing eine Vertragsbeziehung (anderes als in der Liebe) regelmäßig durch Kündigung oder in Ausnahmefällen auch mal durch einen Auflösungsvertrag. Eine Kündigung kann sowohl ordentlich als auch außerordentlich durch den Networker selbst oder sein Unternehmen erfolgen.

In jedem Fall gilt stets: Durch die Beendigung des Vertragsverhältnisses verliert der Networker seinen Provisionsanspruch für Produktverkäufe, die der Networker dem Unternehmen direkt vermittelt oder die das Unternehmen mit den von ihm geworbenen Kunden (oder Vertriebspartnern und deren Kunden) abschließt.

Trotzdem behält das Unternehmen die Möglichkeit, mit diesen Kunden und Vertriebspartnern weiterhin Verträge zu schließen. Vorgenanntes gilt insbesondere, wenn der Networker einen festen Vertriebspartner- und Kundenstamm aufgebaut hat. Network-Marketing-Unternehmen profitieren also noch nachträglich von den Leistungen des Networkers, ohne dass ein entsprechender Provisionsanspruch ausgelöst wird. Da liegt die Frage des Kompensationsanspruchs nach Vertragsende für den aus einem Vertrag ausgeschiedenen Networker sprichwörtlich „auf der Hand“.

Ob ein Networker einen Kompensations- oder Ausgleichsanspruch hat, kann im Vertrag oder im Gesetz geregelt sein. Sofern ein Ausgleichsanspruch proaktiv direkt im Vertrag geregelt ist, kann sich der Networker hierauf berufen und den Ausgleichsanspruch bei seinem Unternehmen einfordern.

Die Wahrheit ist aber, dass es sehr selten der Fall sein dürfte, dass ein solcher Ausgleichsanspruch im Vertrag geregelt ist. Allenfalls bei Top-Führungskräften von Network-Marketing-Unternehmen ist ein solcher Ausgleichsanspruch häufig verbunden mit nachvertraglichen Wettbewerbsverboten für den Fall der Vertragsbeendigung geregelt. In den meisten Verträgen oder allgemeinen Geschäftsbedingungen für „normale“ Networker hingegen ist ein Kompensationsanspruch regelmäßig nicht geregelt.

Daher hilft ein Blick ins Gesetz eventuell bei der Beantwortung der Frage des Ausgleichsanspruchs nach Vertragsende weiter.

In § 89b Handelsgesetzbuch (künftig: HGB) steht dem Handelsvertreter für den Fall einer Vertragsbeendigung ein „angemessener“ Ausgleich zu.

Der Handelsvertreter erhält praktisch eine Vergütung für den von ihm aufgebauten und dem Network-Unternehmen nach Vertragsbeendigung überlassenen Vertriebspartner- und Kundenstamm.

Dies bedeutet für die Network-Branche, dass nur Networkern, die zugleich Handelsvertreter sind, ein Handelsvertreterausgleichsanspruch zusteht.

Ob dies der Fall ist, muss stets im Einzelfall geprüft werden. Häufig finden sich in Verträgen oder allgemeinen Geschäftsbedingungen von MLM-Unternehmen Vertragsklauseln, nach denen der Networker ausdrücklich kein Handelsvertreter ist oder solche Regelungen, die einen Ausgleichsanspruch nach Vertragsende sogar ausdrücklich ausschließen. In diesen Fällen ist dann klar geregelt, dass kein Ausgleichsanspruch besteht. In anderen Vertragswerken von Network-Unternehmen wird zwar offengelassen, ob ein Networker ein Handelsvertreter ist. Häufig wird dort aber durch gewisse Klauseln ebenfalls geregelt, dass kein Handelsvertreterverhältnis vorliegt.

Dies sind Klauseln, die dem Networker etwa keine Umsatzvorgaben, Tätigkeitspflichten, Mindestabnahmepflichten oder Reportpflichten vorgeben und ihm zugleich auch kein Wettbewerbsverbot auferlegen. Auch solche Vertragsklauseln lassen ein Handelsvertreterverhältnis und somit einen Ausgleichsanspruch regelmäßig entfallen.

Wieder andere Vertriebsverträge regeln ausdrücklich, dass der Vertriebler ein Handelsvertreter ist. Jedoch ist auch hier sorgfältig zu lesen. Denn nicht selten ist zusätzlich geregelt, dass der Networker zwar Handelsvertreter ist, er diese Tätigkeit aber im Nebenberuf ausübt. Dieser kleine Zusatz hat eine wichtige Folge.

Denn nach § 92b Absatz 1 HGB hat ein Handelsvertreter im Nebenberuf keinen Ausgleichsanspruch nach Vertragsende.

Jedoch hat der Networker bei Vertragskonstellation die Möglichkeit vor Gericht nachzuweisen, dass er seine Tätigkeit nicht im Neben-, sondern im Hauptberuf ausgeübt hat. Schafft er diesen Beweis zu führen, kann er dann doch einen Ausgleichsanspruch einfordern.

Nach alledem ist als Zwischenfazit festzuhalten, dass Networker dann einen Ausgleichsanspruch haben, wenn sie nach dem Vertragsverhältnis als Handelsvertreter im Hauptberuf benannt oder durch Auslegung zu qualifizieren sind.

Aber hat denn ein als Handelsvertreter agierender Networker nach Vertragsende immer einen Ausgleichsanspruch? Die Antwort lautet klar „Nein“, da der Ausgleichsanspruch in gewissen Konstellationen ausgeschlossen sein kann.

So entsteht der Ausgleichsanspruch nicht, wenn der Networker selbst kündigt, ohne dass ihm sein Network-Unternehmen hierzu einen begründeten Anlass gegeben hat.

Ein begründeter Anlass zur Eigenkündigung besteht zum Beispiel im Network-Marketing bei fortgesetzter verspäteter Provisionszahlung oder wiederholter Lieferung mangelhafter Ware, wobei hier stets zuvor Mahnungen des Vertrieblers erforderlich sind. Nur in solchen begründeten Fällen darf der Handelsvertreter kündigen und behält trotzdem seinen Ausgleichsanspruch. Wenn er aber sonst selbst ordentlich kündigt, ist der Ausgleichsanspruch ausgeschlossen.

Der Anspruch bleibt auch bestehen, wenn der Handelsvertreter seine Tätigkeit wegen Alters oder Krankheit nicht mehr ausüben kann und aus diesem Grund kündigt. Die Altersgrenze liegt grundsätzlich bei 65 Jahren (mit Heraufsetzung der gesetzlichen Rentenaltersgrenzen kann dies aber nun auch 67 Jahre sein) oder bei besonders guter Gesundheit im Einzelfall auch höher.

Handelsvertreter, die jünger als 65 sind, müssen besondere schwerwiegende Gründe dafür anführen können, dass sie aus Alters- oder Gesundheitsgründen nicht mehr arbeiten können. In der Kündigung ist stets ausdrücklich und leicht erkennbar darauf hinzuweisen, dass aus Altersgründen oder wegen Krankheit gekündigt wird.

Der Ausgleichsanspruch des Networkers ist auch im Falle einer Kündigung durch das Network-Unternehmen ausgeschlossen, sofern für die Kündigung des Unternehmens ein wichtiger Grund wegen schuldhaften vertragsverletzenden (treuwidrigen) Verhaltens des Networkers vorlag.

Wichtige Gründe für Unternehmen im Bereich des Network-Marketings sind etwa nicht genehmigte Tätigkeit für einen Wettbewerber, die Abwerbung von Strukturen oder Networkern aus der Downline, unerlaubtes Crossline-Sponsoring oder eine Provisionsmanipulation.

Ein Kompensationsanspruch besteht ferner auch dann nicht, wenn der ausscheidende Networker mit dem Unternehmer eine Nachfolgevereinbarung getroffen hat und aufgrund dieser Vereinbarung ein Dritter, der die Position des ausscheidenden Networkers im Vergütungsplan erworben hat, an die Stelle des bisherigen Vertrieblers tritt.

Wichtig zu wissen ist hierzu: Der Ausschluss gilt auch, wenn die Position zuvor verschenkt wurde oder sonst keine Ausgleichszahlung durch den erwerbenden Dritten geleistet wurde.

Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass Networker nur in gewissen Umständen einen Ausgleichsanspruch haben können, nämlich nur dann, wenn sie Handelsvertreter im Hauptberuf sind und der Ausgleichsanspruch nicht ausgeschlossen ist.

Ein kurzer Anriss zum Schluss: Auf einem ganz anderen „Blatt Papier“ steht schließlich die Höhe des Ausgleichsanspruchs, dessen Ermittlung und Berechnung in der Praxis zu großen Herausforderungen führt. Grob und oberflächlich skizziert erfolgt die Ermittlung Ausgleichsanspruchs in zwei Schritten.

Im Schritt 1 wird nach der Vorgabe des § 89b Absatz 1 HGB der Rohausgleich berechnet, um sodann im Schritt 2 die Obergrenze, anhand des Höchstbetrages festzustellen. Denn gemäß § 89b Absatz 2 HGB beträgt der Ausgleichsanspruch höchstens eine durchschnittliche Jahresprovision, wobei diese Durchschnittsjahresprovision aus dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre (bei kürzerer Vertragsdauer ist dies die Durchschnittsprovision während der Dauer der Gesamttätigkeit) der Tätigkeit des Handelsvertreters zu errechnen ist.

Ein Gastbeitrag von André Schenk SBS LEGAL
www.sbs-legal.de

»» Originalbericht in Ausgabe 09-2021 lesen

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