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SBS Legal Moritz Braun: Novel Food – Darauf müssen Direct-Selling-Unternehmen achten

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Wer sich schon länger mit dem Vertrieb und der Werbung für Lebensmittel, die von Direct-Selling-Unternehmen verkauft werden, beschäftigt, wird früher oder später auf das Thema Novel Food aufmerksam werden. Dies entweder dadurch, dass interessante Produkte vorgestellt werden, die es in dieser Form bislang in Deutschland oder der EU noch nicht gab. Oft wird das Thema Novel Food aber auch mit rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen oder mit Beanstandungen von Aufsichtsbehörden in Verbindung gebracht werden. Rechtsanwalt Moritz Braun von der Anwaltskanzlei SBS Legal erklärt nachfolgend in leicht zu verdauenden Häppchen, das Wichtigste zu Novel Food.

Novel-Food-Verordnung hat es in sich

Der Begriff „Novel Food“ entstammt der englischsprachigen Version der EU Verordnung 2015/2283 über „neuartige Lebensmittel“. Als EU-Verordnung ist das Gesetz auch in Deutschland unmittelbar anwendbar und wird auch hier meist als „Novel-Food-Verordnung“ bezeichnet. Die Verordnung definiert als „neuartiges Lebensmittel“ alle Lebensmittel, die vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang in der Europäischen Union für den menschlichen Verzehr verwendet wurden und die in mindestens eine der in Artikel 3 der Novel-Food-Verordnung genannten Kategorien fallen.

Es handelt sich danach um Lebensmittel

• mit neuer oder gezielt veränderter Molekularstruktur
• aus Mikroorganismen, Pilzen oder Algen
• aus Materialien mineralischen Ursprungs
• aus Pflanzen oder Pflanzenteilen
• aus Tieren oder deren Teilen
• aus Zell- oder Gewebekulturen
• die durch ein neuartiges, nicht übliches Verfahren hergestellt wurden
• aus technisch hergestellten Nanomaterialien
• die Vitamine, Mineralstoffe und andere Stoffe sind und nach einem neuartigen Verfahren hergestellt wurden
• die ausschließlich in Nahrungsergänzungsmitteln als nicht neuartig gelten und nun in anderen Lebensmitteln verwendet werden sollen

Dabei wird schon bei einem ersten Lesen der Aufzählung klar: Ob ein Lebensmittel neuartig (also Novel Food) ist, wird sich oft nur schwer ermitteln lassen. Denn der zeitliche Aspekt „kein Verzehr vor 1997“ erweist sich schon deshalb als schwierig, weil hierzu eine Recherche für einen Zeitraum angestellt werden muss, der fast 25 Jahre in der Vergangenheit liegt und durch das Fehlen von online verfügbaren Quellen und Belegen erschwert wird. Zudem muss das Rechercheergebnis auch noch einen Verzehr in „nennenswertem Umfang“ belegen, was viel Interpretationsspielraum bietet und nach der Rechtsprechung durch Auswertungen von Fachliteratur, Behördenanfragen und wirtschaftlichen Auswertungen erfolgen kann. Ausgangspunkt für dieses Kriterium ist die Lebensmittelsicherheit: Nur wenn feststeht, dass das Lebensmittel so häufig verzehrt wurde, dass der Schluss gezogen werden kann, dass hiervon keine Gefahren ausgehen, wird es als nicht-neuartig akzeptiert.

Beispiele für Novel Food

Oft heißt es, dass Novel Food alles ist, was erst auf den zweiten Blick überhaupt als Lebensmittel wahrgenommen wird. Als Beispiel werden dann regelmäßig Heuschrecken oder Mehlwürmer genannt, die auch tatsächlich als Novel Food zugelassen sind. Aus der oben beschriebenen Stichtagsregelung, die auf einen mittlerweile schon länger zurückliegenden Zeitraum abstellt, folgt aber auch: Vieles, das heute ganz selbstverständlich zu unseren täglich verzehrten Lebensmitteln zählt, ist Novel Food. Dies trifft zum Beispiel für Chiasamen und das in unterschiedlichen Lebensmitteln als Zusatzstoff (Verdickungsmittel) verwendete Guarkernmehl zu.
Viele Lebensmittel, die Novel Food sind, zeigen die hohe Innovationskraft der Lebensmittelindustrie. So konnte zum Beispiel durch gezielte UV-Behandlung der Vitamin-D-Gehalt in Pilzen, Brot und Milch gesteigert werden.

Strenge Regeln für Zulassung und Sanktionen bei Verstößen

Die Novel-Food-Verordnung folgt der Systematik: Alle neuartigen Lebensmittel sind verboten, es sei denn, es wurde eine ausdrückliche Zulassung für die beabsichtigte Verwendung erteilt. Die Zulassung wird von der Europäischen Kommission erteilt und in einer sog. Unionsliste veröffentlicht. Dort sind neben der Beschreibung des neuartigen Lebensmittels auch die Verwendungsbedingungen und genauen Spezifikationen für das zugelassene neuartige Lebensmittel festgelegt. So ist zum Beispiel für die oben schon erwähnten Chiasamen geregelt, dass diese in Broterzeugnissen nur bis zu einem Höchstgehalt von 5 % verarbeitet werden dürfen. Wer die Zulassung eines Lebensmittels als Novel Food beantragt, muss sich auf eine umfangreiche Prüfung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) einstellen, die eingereichte Studien zur Sicherheit des Lebensmittels prüft und bewertet.

Antragsteller brauchen einen langen Atem und ausreichend finanzielle Mittel, um die notwendigen Informationen zusammenzustellen und aufzubereiten.

Lebensmittelunternehmer auf allen Stufen der Lebensmittelkette sind selbst dafür verantwortlich zu entscheiden, ob das von ihnen angebotene oder beworbene Produkt Novel Food ist oder nicht. Bei Unsicherheiten kann ein Blick in den online auf den Seiten der EU-Kommission veröffentlichten Novel-Food-Katalog helfen. Hierbei handelt es sich um eine Datenbank, in der die EU-Kommission ihre Bewertung zu verschiedenen Lebensmitteln und deren etwaiger Neuartigkeit mitteilt. Die Datenbank ist nicht verbindlich, Gerichte und Behörden halten sich jedoch fast immer daran. Dem Novel-Food-Katalog ist zum Beispiel zu entnehmen, dass Cannabis Sativa (also die Hanfpflanze) als nicht neuartig gilt, wohingegen für Cannabinoide (dazu gehört auch Cannabidiol, kurz: CBD) ein Novel Food Status ausgewiesen wird.

Nach der Novel Food Verordnung ist das Inverkehrbringen von nicht zugelassenen neuartigen Lebensmitteln verboten.

Inverkehrbringen beinhaltet neben dem Angebot und der Abgabe solcher Lebensmittel auch Maßnahmen der Werbung, womit klar sein dürfte, dass dies auch von Vertriebspartnern von Direct-Selling-Unternehmen verwirklicht werden kann. Dies kann neben einem teuren zivilrechtlichen Unterlassungsverfahren (eingeleitet durch Mitbewerber oder hierzu berechtigte Verbände) auch die Sanktion als Ordnungswidrigkeit oder Straftat nach sich ziehen.
Vertriebspartner sollten dies vor einem Engagement für Unternehmen, die aus dem US-amerikanischen oder asiatischen Markt heraus in Europa starten, bedenken. Denn gerade solche Unternehmen bieten oft neue und innovative Produkte an, die in der Europäischen Union als Novel Food bewertet werden.

Chancen erkennen

Andererseits kann es gerade für Direct-Selling-Unternehmen interessant sein, die Möglichkeiten, die die Unionsliste und die dort enthaltenen zugelassenen neuartigen Lebensmittel bietet, bei der Produktentwicklung zu berücksichtigen. Vertriebspartner sollten daher ihre Unternehmen ermutigen, diese Gestaltungsmöglichkeiten bei der Erweiterung ihres Produktangebotes in Betracht zu ziehen.

Kompetente Beratung und ein gutes Gespür für sich abzeichnende Innovationen und Trends, kann Direct-Selling-Unternehmen hier einen Vorsprung gegenüber den klassischen Vertriebskanälen verschaffen und den Unternehmenserfolg nachhaltig festigen.

Ein Gastbeitrag von Rechtsanwalt Moritz Braun I SBS LEGAL

Moritz Braun ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und Partner der Kanzlei SBS Legal in Hamburg. Er berät Unternehmen und Gründer in allen Bereichen des gewerblichen Rechtsschutzes, insbesondere in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten, gerichtlich wie außergerichtlich.

Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt im Lebensmittel- und Kosmetikrecht. Moritz Braun unterstützt seine Mandanten hier bei Produktentwicklung, strategischen Überlegungen zum Vertrieb, Know-how-Schutz sowie in allen Belangen der Werbung. Rechtsanwalt Braun verfügt über große Erfahrung bei der Bewältigung von Krisen und vertritt seine Mandanten europaweit gegenüber Mitbewerbern, Aufsichts- und Strafverfolgungsbehörden.

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