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Andrè Schenk: Sind Networker eigentlich immer Handelsvertreter?

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Die Geschichte beginnt immer gleich. Ein Mensch wird durch eine vertraute Person aus seinem Netzwerk für ein Produkt eines Network-Marketing-Unternehmens begeistert. Nachdem die Person dann auch noch darüber informiert wird, mit dem Vertrieb dieses Produkt zusätzlich einen Nebenerwerb aufbauen zu können, lässt sie sich umgehend sponsern und registriert sich bei dem Unternehmen als neuer Vertriebspartnerin oder Vertriebspartner und beginnt mit dem Vertrieb der Produkte.

Aber wie ist denn ein Vertriebspartner rechtlich einzustufen?

Networker, die die Waren von ihren Unternehmen einkaufen und auf eigene Rechnung weiterverkaufen, sind zunächst als gewerbliche Wiederverkäufer zu qualifizieren. Für sie gilt für den Wiederverkauf für Waren an Endkunden das Verbraucherecht wie etwa die Pflicht zur Widerrufsbelehrung.

Für Vertriebspartner hingegen, die Produkte der Unternehmen an Endkunden vermitteln (ebenso wie für alle Strukturprovisionsansprüche auch die der Reseller), gilt häufig der Irrglaube, dass diese Personen immer mit der Registrierung Handelsvertreter werden. Dies ist jedoch nicht richtig.

Handelsvertreter ist man nämlich nur, wenn man entweder als solcher ausdrücklich im Vertrag benannt wird oder sich aus der Art und Weise und dem Umfang der Pflichten eines Vertriebspartners ergibt, dass der Vertriebsvertrag auf den Rechtstypus des Handelsvertreters abzielt.

Daher lohnt es sich für jeden neuen Vertriebspartner ebenso wie für die langjährig tätigen Networker immer, einen Blick in seinen Vertriebsvertrag und die hierfür geltenden allgemeinem Geschäftsbedingungen oder Unternehmensrichtlinien zu werfen. Ist dort ausdrücklich geregelt, dass der Networker als Handelsvertreter für das Unternehmen tätig wird, so greifen für ihn der Regeln und Pflichten der §§ 84 bis 92c Handelsgesetzbuch (HGB).

Wichtig zu wissen ist dabei, dass die gesetzlichen Pflichten auch greifen, sofern diese Pflichten nicht explizit in den vertraglichen Regeln normiert sind. So hat ein Handelsvertreter umfassende gesetzliche Treue- und Tätigkeitspflichten. Er darf auch nicht für Wettbewerber tätig werden, selbst wenn hierzu keine Regelung im Vertragswerk verankert wurde.

Auf der anderen Seite steht dem Handelsvertreter für den Fall einer ordentlichen Kündigung durch sein Unternehmen ein Handelsvertreterausgleichsanspruch zu, durch den er eine gewisse Kompensation für den Aufbau des Kunden- und Vertriebspartnerstammes erhält. Aber Achtung – in vielen Vertriebsverträgen ist nicht vom Handelsvertreter, sondern vom „Handelsvertreter im Nebenberuf“ die Rede. Diese Formulierung erfolgt nicht ohne Grund.

Zum einen wird durch diese Formulierung der Umstand hervorgehoben, dass im Network-Marketing über 90 Prozent der dort tätigen Direktvermarkter ihre Tätigkeit im Nebengewerbe und nicht hauptberuflich ausüben. Zugleich führt diese Formulierung aber dazu, dass der Handelsvertreter im Nebenberuf keinen Handelsvertreterausgleichsanspruch zusteht. Dies ist in § 92b Absatz 1 HGB verklausuliert geregelt, und zwar auch dann, wenn es in dem Vertragswerk unerwähnt bleibt.

Andere Unternehmen hingegen versuchen, mit ihren Vertriebspartnern weniger streng und transparenter umzugehen. Sie tragen dabei dem Gedanken Rechnung, dass die allermeisten Vertriebspartner, wie zuvor erwähnt, lediglich nebenberuflich im Bereich des Network-Marketing tätig sind und viele davon eher den Spaß als den großen Verdienst in ihrem vertrieblichen Fokus haben. In den Vertragswerken jener Unternehmen ist dann sehr häufig geregelt, dass die Vertriebspartner ausdrücklich keine Handelsvertreter sind.

Hierdurch entfallen die für Handelsvertreter typischen Umsatz- und Tätigkeitspflichten ebenso wie stringente Betreuungspflichten der Downline. Selbstredend sollte ein jeder Networker im eigenen Interesse seine Downline pflegen und schulen, für Umsatz sorgen oder regelmäßig tätig sein. Denn nur so kann sie/er Geld verdienen.

Aber durch den Ausschluss des Handelsvertreters im Vertriebsvertrag entfällt der vertriebliche Druck, was für die meisten nebenberuflichen Networker eher positiv zu werten ist. Flankiert wird der Ausschluss des Handelsvertreters außerdem regelmäßig, indem diese Networker kein umfassendes Wettbewerbsverbot auferlegt bekommen, sondern lediglich ein Abwerbeverbot erhalten.

Der Verlust des Ausgleichsanspruchs eines Nicht-Handelsvertreters wiegt gegenüber der vorgenannten Freiheit nicht wirklich schwer, da für die Networker nur ein eher bescheidener Ausgleichsanspruch anfallen würde, der zudem noch an viele Voraussetzungen geknüpft ist, über die häufig nach Ende eines Vertriebsvertrages gestritten oder jedenfalls anwaltlich diskutiert wird.

Beträgt ein möglicher Ausgleichsanspruch eines nebengewerblichen Handelsvertreters möglicherweise 2.000,00 Euro, so übersteigen bereits die Anwaltskosten für die Durchsetzung dieses Anspruchs den späteren Kompensationsanspruch.

Wieder andere Unternehmen haben ihre Vertriebspartner in zwei Gruppen unterteilt. Die breite Masse der Vertriebspartner sind keine Handelsvertreter. Für eine kleine Gruppe – in der Regel hauptberuflicher Führungskräfte – hingegen gibt es Zusatzverträge und diese Führungskräfte werden dann zu Handelsvertretern. Dies ist auch sinnvoll, da jene Führungskräfte enger in die Sphäre des Unternehmens integriert sind.

Was aber, wenn weder das Wort des Handelsvertreters noch der Ausschluss eines Handelsvertreterverhältnisses in einem Vertrag geregelt ist? Dann kommt es auf die inhaltlichen Regelungen des Vertrages an.

Sind in dem Vertrag Regelungen zu Umsatzvorgaben, Tätigkeitspflichten, Downline-Schulungen und Wettbewerbsverboten enthalten, spricht vieles für ein Handelsvertreterverhältnis; fehlen solche Vorgaben hingegen, ist eher von einem Vertriebsvertrag „sui generis“, wie es unter Juristen heißt, auszugehen und das HGB nicht oder nur in ganz bestimmten Fällen analog anwendbar.

Zusammenfassend ist es also ein Irrglaube, dass Networker immer gleich Handelsvertreter sind. Vielmehr kommt es stets auf die konkrete Ausgestaltung der vertraglichen Spielregeln an. Eben diese Vertragsregeln sollten sich daher ein jeder Networker und eine jede Networkerin immer durchlesen, und zwar bevor die vertriebliche Tätigkeit beginnt.

Vorgenanntes gilt umso mehr, als die Vertragswerke der MLM-Unternehmen häufig auch viele weitere „Dos and Don‘ts“ etwa für die vertrieblichen Werbemaßnahmen enthalten, die es einzuhalten gibt. Aber dieses Thema wird ein anderes Mal vertieft.

Ein Gastbeitrag von Andrè Schenk

www.sbs-legal.de

Originalbericht in Ausgabe 01-2023 lesen

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